Wie groß ist das Antriebsvermögen des Space Shuttle, wenn seine technischen Daten wie folgt angegeben sind:
Startmasse (mit 29 t Nutzlast): 2.017.000kg
Orbitermasse (beim Start): 111.000kg
Außentank (ET), Masse mit Treibstoff: 738.000kg
Davon nutzbares H2/O2 – Treibstoffgemisch: 703.000kg
Zwei Booster (SRB), Masse mit Treibstoff je: 584.000kg
Davon nutzbarer Festtreibstoff von jeweils: 500.000kg
1.Phase: Die im Orbiter installierten drei Haupttriebwerke (SSME) werden mit flüssigem Wasserstoff (LH2) und flüssigem Sauerstoff (LOX) betrieben und erreichen eine effektive Austrittsgeschwindigkeit von 4.300m/s bei einem Massendurchsatz von insgesamt 3×500 kg/s, während gleichzeitig die Boostertriebwerke im Mittel einen spezifischen Impuls von 300s erreichen und nach 120s ausgebrannt sind und abgeworfen werden.
2. Phase: Nach Abwurf der beiden Booster bleibt der Antrieb durch die drei Haupttriebwerke der einzige Antrieb, bis der nutzbare Treibstoff des Außentanks verbraucht ist. Danach trennt sich der Orbiter vom Außentank.
3. Phase: Der Orbiter steigt allein weiter. Er besitzt noch zwei kleinere, so genannte OMS-Triebwerke (Orbital Maneuvering System), für die an Bord eine Treibstoffmenge von 11.000 kg UDMH/N2O4 für die weiteren Flugaufgaben (Einschuss in die Umlaufbahn, Abstieg etc.) zur Verfügung stehen. Die effektive Austrittsgeschwindigkeit der OMS-Triebwerke ist 3.000m/s. Annahme: Der Mindestdurchsatz und die effektive Austrittsgeschwindigkeit dürfen während der jeweiligen Schubphase als zeitunabhängig betrachtet werden.
Lösung
Das gesuchte gesamte Antriebsvermögen des Shuttles ergibt sich aus der Summe der Geschwindigkeitszuwächse der drei Phasen. Diese werden nun einzeln betrachtet.
1. Phase
In der ersten Phase ist das Raumfahrzeug noch in seiner kompletten Konfiguration vorhanden, d.h. die Gesamtmasse berechnet sich aus der Summe aller angegebenen Massenangaben.
Zusätzlich muss die Art und das Größenausmaß des Antriebes in Phase 1 ermittelt werden.
Aus dem Aufgabentext geht hervor, dass die drei Haupttriebwerke (SSME) mit einer effektiven Austrittsgeschwindigkeit von und einem Massendurchsatz von
betrieben werden. Zusätzlich arbeiten in Phase 1 zwei Boostertriebwerke mit einem mittleren spezifischen Impuls von 300s. Die gesamte Brennzeit von Phase 1 beträgt
. Nach Ablauf der Brennzeit und damit dem Ende von Phase 1 werden die beiden Boostertriebwerke abgeworfen.
Für das Antriebsvermögen in Phase 1 gilt die Ziolkowsky-Gleichung:
Um errechnen zu können, muss man die effektive Austrittsgeschwindigkeit, die alle Antriebe gemeinsam haben, und die Brennschlussmasse der 1.Phase herausfinden.
Für die effektive Austrittsgeschwindigkeit des Triebwerksgases in Phase 1 gilt:
Dies stellt den Mittelwert der auftretenden Austrittsgeschwindigkeiten dar. Als nächstes kann mit Hilfe der Brenndauer und der Treibstoffmasse eines Boostertriebwerks der Massendurchsatz von einem der Booster berechnet werden:
Für das Boostertriebwerk wurde der so genannte (gewichts-)spezifische Impuls angegeben. In der Raketentechnik ist die Benutzung dieses Kennwertes üblich. Der momentane Wert ist dabei definiert als
wobei die Masse des Treibstoffs und
die Erdbeschleunigung darstellen.
Damit gilt für die effektive Austrittsgeschwindigkeit eines Boostertriebwerks:
An dieser Stelle kann nun mit Hilfe der bekannten Anzahl der Triebwerke, der jeweils bekannten effektiven Ausströmgeschwindigkeit von Haupttriebwerken und Boostern und den jeweiligen Massendurchsätzen der Gesamtschub berechnet werden, den das Shuttle während der Phase 1 erzeugt.
Es gilt:
Damit folg für den Gesamtschub in Phase 1:
(Bei Berücksichtigung der jeweiligen Anzahl der Triebwerke und Booster)
Daraus ergibt sich für die gesamte erste Stufe eine effektive Austrittsgeschwindigkeit von:
Als nächstes bleibt noch die Brennschlussmasse der Rakete zu bestimmen. Bei einer Brennschlussmasse wird nur der verbrannte Treibstoff abgezogen, nicht aber die Stufen oder Triebwerke, die nach der Brenndauer abgesprengt werden.
Die Booster sind nach der Brenndauer komplett ausgebrannt, weshalb man ihren gesamten Treibstoffinhalt von der Startmasse abziehen muss. In den Haupttriebwerken wird während Phase 1 nur ein Teil des vorhandenen Treibstoffes verbrannt. Deshalb multipliziert man den Massendurchsatz der Haupttriebwerke mit der Brenndauer und erhält die Masse des in Phase 1 verbrannten Treibstoffes.
Für die Startmasse des Shuttles gilt laut Angabe:
Für die Brennschlussmasse der Phase 1 ergibt sich damit:
Damit kann man nun das Antriebsvermögen der ersten Phase mit der Ziolkowsky-Gleichung ermitteln:
2. Phase
In der zweiten Phase werden die Booster abgeworfen. Es werden nur noch die drei Haupttriebwerke bis zum Ende des Treibstoffvorrats betrieben.
Für das Antriebsvermögen in der zweiten Phase gilt analog:
Die effektive Ausstoßgeschwindigkeit in Phase 2 entspricht der effektiven Ausstoßgeschwindigkeit der Haupttriebwerke . Dies ist damit zu begründen, dass die Boostertriebwerke nicht mehr betrieben werden, und der Massendurchlauf in den Haupttriebwerken
als konstant angenommen wird.
Es gilt also:
Für die Startmasse der Rakete in der zweiten Phase muss von der Brennschlussmasse der ersten Phase die Strukturmasse der beiden Booster abgezogen werden.
Es ergibt sich also für die Startmasse der zweiten Phase:
Als nächstes ist die Brennschlussmasse nach der zweiten Phase zu bestimmen. Dazu wird von der ursprünglichen Startmasse des Shuttles einfach die Gesamtmasse der beiden Booster inklusive der Treibstoffmasse abgezogen und zusätzlich die Gesamtmasse des Treibstoffes der beiden Haupttriebwerke.
Aus diesen Größen lässt sich nun das Antriebsvermögen der zweiten Phase ermitteln:
3. Phase
In der dritten Phase werden nun die Außentanks abgeworfen und der Shuttle setzt seinen Flug allein fort. Dabei sorgen die beiden OMS-Triebwerke (Orbital Maneuvering System) für den Antrieb.
Aus dem Aufgabentext entnimmt man die Angaben:
Effektive Ausstoßgeschwindigkeit:
Noch vorhandene Treibstoffmasse an Bord: 11000kg
Für das Antriebsvermögen der dritten Phase gilt analog zu den ersten beiden:
Die Startmasse des Orbiters inklusive des noch vorhandenen Treibstoffs kann aus der Aufgabenstellung entnommen werden. Dies entspricht der Startmasse der dritten Phase.
Es gilt:
Die Brennschlussmasse der dritten Phase ist die Masse des Orbiters ohne die 11000kg Treibstoffmasse:
Folglich berechnet sich das Antriebsvermögen von Phase 3 zu:
Damit lässt sich nun endgültig das gesamte Antriebsvermögen aus der Summe der einzelnen Antriebsvermögen der drei Stufen berechnen.