Es soll ein hydrodynamisches vollumschließendes Gleitlager einer Dampfturbine, welches im Dauerbetrieb bei einer Nenndrehzahl arbeitet, berechnet werden.
Gegeben
Lagerdaten:
Nenndurchmesser:
Breite:
Werkstoff: SnSb12Cu6Pb nach DIN ISO 4381
Oberflächengüte Welle:
Oberflächengüte Lagerschale:
Wärmeabgebende Oberfläche:
Wärmeübergangszahl zwischen Lagergehäuse und Umgebung im Maschinenverband :
Höchstzulässige Lagertemperatur:
Betriebsdaten:
Nenndrehzahl:
Belastung bei Nenndrehzahl:
Umgebungstemperatur:
Schmierstoffdaten:
Viskositätsgrad: ISO VG 68
Raumspezifische Wärmekapazität:
Aufgaben
24.1 – Ermitteln Sie die Gleitgeschwindigkeit und Winkelgeschwindigkeit
24.2 – Überprüfen Sie die spezifische Lagerbelastung
24.3 – Wählen Sie eine geeignete Passung aus und bestimmen Sie das vorhandene relative Lagerspiel.
24.4 – Überprüfen Sie, ob das Lager in Nennbetrieb stabil und verschleißfest läuft. Legen Sie hierbei zunächst eine angenommene Betriebstemperatur zugrunde.
25.5 – Überprüfen Sie, ob das Lager ohne Druckumlaufschmierung auskommt, also mit druckloser Ölumlaufschmierung, d.h. mit Wärmeabfuhr durch reine Konvektion.
25.6 – Es wird eine Druckschmierung mit externer Ölrückführung vorgesehen. Bestimmen Sie den erforderlichen Schmierstoffdurchsatz unter folgenden Randbedingungen:
Öleintrittstemperatur:
Zuführüberdruck:
Öleintrittsbohrung in der Oberschale.
Lösung
24.1 – Gleitgeschwindigkeit und Winkelgeschwindigkeit
Die Gleitgeschwindigkeit ist das Produkt aus Drehzahl (pro Sekunde) und Umfang:
Die Winkelgeschwindigkeit ist das Produkt aus und der Drehzahl (=Frequenz):
24.2 – spezifische Lagerbelastung
Für den tatsächlichen mittleren Lagerdruck bzw. die spezifische Lagerbelastung gilt:
Die Fläche ist dabei die Projektion des Zylinders auf eine Ebene, also der Durchmesser multipliziert mit der Breite des Lagers.
Wir betrachten nun die Tabelle mit Erfahrungswerten für höchstzulässige spezifische Lagerbelastungen bei hydrodynamischen Gleitlagern:
Bei unserem Lager handelt es sich um eine Sn-Legierung, es ist also .
Wir sehen:
in Ordnung!
24.3 – Wahl einer Passung
Wir brauchen auf jeden Fall eine Spielpassung, da sich die Welle im Lager drehen soll. Das relative Lagerspiel können wir im folgenden Diagramm ablesen:
Für die Gleitgeschwindigkeit hatten wir ausgerechnet. Von dort aus gehen wir senkrecht nach oben, bis wir in die Mitte des schraffierten Bereichs kommen. Von dort aus gehen wir dann waagerecht nach links und lesen dort einen Wert von etwa
Promille ab. Dies entspricht auch der im Diagramm angegebenen Formel:
Später müssen wir aber nicht prüfen, ob der tatsächliche Wert oberhalb oder unterhalb dieses Sollwertes liegt, sondern ob er in einem Intervall um den Sollwert liegt. Wir lesen also den Wert an der Unter- und Oberkante des schraffierten Bereichs ab:
Das absolute Lagerspiel berechnen wir wie folgt:
Wir betrachten nun Tabelle 1 auf Seite 180 im INA-Taschenbuch. Wenn wir davon ausgehen, dass die Bohrung exakt gefertigt ist, brauchen wir für die Welle eine Abweichung von . Dies ist bei unserem Wellendurchmesser
erfüllt bei Toleranzlage b. Um im Intervall für das gewünschte Lagerspiel zu bleiben, müssen wir Toleranzklasse 6 benutzen. Es folgt die Passung 200b6.
Wir betrachten die Tabell1 auf Seite 180 im INA-Buch.
Für das obere Abmaß der Welle gilt: . Bei einem ISO-Toleranzgrad von 6 ist die Grundtoleranz einer Welle im Bereich
bis
gleich
. Daraus folgt für das untere Abmaß der Welle:
.
Für die Bohrung wählen wir die Toleranzlage H und eine Toleranzklasse gröber als die der Welle, also 7: 200H7
Zusammengefasst:
Das größte Spiel ist nun der Abstand zwischen der größtmöglichen Bohrung und der kleinstmöglichen Welle:
Das kleinste Spiel ist der Abstand zwischen der kleinsten möglichen Bohrung und der größten möglichen Welle:
Mittleres Spiel:
Vorhandenes relatives Lagerspiel:
Promille
Da wir einen Rahmen von 1,2 bis 2,1 haben, ist dieser Wert in Ordnung.
24.4 – Überprüfung auf Stabilität und Verschleißfestigkeit
An dieser Stelle müssen wir die Tragfähigkeit des Schmierfilmes überprüfen. Basis dafür ist die Reynoldssche Differentialgleichung. Diese ist allerdings nicht geschlossen analytisch lösbar, wir greifen auf eine Annäherung durch den Newtonschen Schubspannungssatz zurück.
Es gilt:
Dabei kommt die Kraft wie folgt zustande:
Die Reibungszahl für Flüssigkeitsreibung ist:
Daraus wird die Reibungskennzahl abgeleitet:
Dabei ist die Sommerfeldzahl. Die Sommerfeldzahl sagt etwas über die Stabilität aus. Das System ist genau dann stabil, wenn die Sommerfeldzahl im Bereich
liegt.
Es gilt:
Dabei ist die dynamische Viskosität. Die anderen Größen sind bereits bekannt: Laberbelastung
, vorhandenes Lagerspiel
, oben berechnete Drehzahl
.
Für die dynamische Viskosität betrachten wir das folgende Diagramm:
Die Temperatur ist die in der Aufgabenstellung gegebene Betriebstemperatur von 60°C. Von dort aus gehen wir hoch zu der Viskosität von Öl ISO VG 68 (aus Aufgabenstellung). Von dort aus nach links. Wir erhalten:
Damit können wir die Sommerfeldzahl berechnen:
Die Sommerfeldzahl ist also im geforderten Intervall. Nach dieser Berechnung können wir nun Aussagen zur minimalen Schmierspaltdicke und der relativen Exzentrizität
entwickeln.
Die relative Exzentrizität gibt an, wie weit die Welle in der Bohrung des Gleitlagers von der Mittelachse verschoben ist. Wir brauchen folgendes Diagramm:
Um die richtige Kurve zu wählen, brauchen wir das Verhältnis von Durchmesser zu Breite des Lagers. Dies ist wichtig für die Kraftverteilung:
Mit und
erhalten wir einen Wert von
.
Daraus können wir die minimale Schmierspaltdicke bestimmen:
Die relative Schmierspaltdicke ist . Diese müssen wir mit dem absoluten Lagerspiel multiplizieren, um den absoluten Wert zu erhalten. Da wir nur das relative Lagerspiel
haben, müssen wir dieses noch mit dem Radius
multiplizieren. Es folgt:
Einsetzen:
Wir betrachten nun eine Tabelle mit Erfahrungswerten für die zulässige kleinste Spalthöhe nach DIN 31652:
Daraus folgt mit eine kleinste zulässige Schmierspalthöhe von
.
Es ist in Ordnung!
24.5 – Prüfung der Wärmeabfuhr
Bei statisch belastetem Gleitlager steigt die Reibleistung mit dem Quadrat der Winkelgeschwindigkeiten und der dritten Potenz der Lagerabmessungen. Die Reibleistung wird in Wärme umgesetzt und durch Strahlung und Leitung an die Umgebung abgegeben oder mit dem Öl konvektiv abgeführt.
Beim Betrieb entsteht die Wärme:
Dabei ist ein Reibungsfaktor,
die auf das Lager wirkende Kraft und
die Reibungsgeschwindigkeit.
Den Reibungsfaktor können wir nicht direkt bestimmen. Wir können aber den Reibungsfaktor in Abhängigkeit von der Sommerfeldzahl aus dem folgenden Diagramm ablesen:
Mit und
erhalten wir einen Reibungsfaktor
.
Wir wollen nun testen, ob die produzierte Wärme ausschließlich durch die Konvektion im Schmieröl abgeführt werden kann.
Der durch Konvektion abgeführte Wärmestrom lässt sich wie folgt berechnen:
Dabei ist die effektive Wärmeübergangszahl zwischen Lagergehäuse und umgebenden Fluid bei freier Konvektion.
ist die Wärme abgebende äußere Oberfläche,
die mittlere Lagertemperatur und
die Temperatur des umgebenden Fluids. Diese Werte sind alle in der Aufgabenstellung gegeben. Es folgt:
Die Konvektion reicht also nicht aus, um das Lager auf die angegebene Temperatur zu kühlen.
Wir wollen noch berechnen, wie heiß das Lager werden würde, wenn wir es trotzdem ohne Druckumlaufschmierung betreiben würden:
nicht in Ordnung!
24.6 – Schmierstoffdurchsatz
Wir haben nun eine Druckumlaufschmierung. Der Wärmestrom, der dadurch vom Schmierstoff abgeführt wird, lässt sich berechnen mit der Formel:
Dabei ist der gesamte Schmierstoffdurchsatz, den wir berechnen sollen.
ist ein Ausdruck für die Raumspezifische Wärme (in der Aufgabenstellung gegeben),
ist die Schmierstoffaustrittstemperatur,
die Schmierstoffeintrittstemperatur.
Der gesamte Schmierstoffdurchsatz setzt sich aus dem Durchsatz infolge von Wellenrotation und dem Durchsatz infolge Zufuhrüberdruck
zusammen:
Dabei gilt für den Durchsatz infolge von Wellenrotation:
Dabei ist der relative Schmierstoffdurchsatz.
Diagramm für den relativen Schmierstoffdurchsatz:
Wir haben eine relative Exzentrizität von . Mit
erhalten wir
.
Einsetzen:
Durchsatz infolge Zufuhrüberdruck
Für den Schmierstoffdurchsatz infolge Zuführüberdruck in Abhängigkeit von der relativen Exzentrizität gilt:
Wir erhalten einen Wert von 0,35.
Einsetzen:
Damit können wir den gesamten Schmierstoffdurchsatz ausrechnen:
Wir kontrollieren nun, ob angenommene und tatsächliche Betriebstemperatur übereinstimmen.
Wir können davon ausgehen, dass die gesamte Wärme durch das Schmiermittel abgeführt wird. Die Öleintrittstemperatur ist gegeben, daher können wir die Ölaustrittstemperatur berechnen:
Dabei ist die raumspezifische Wärmekapazität. In der Aufgabenstellung ist gegeben:
Einsetzen:
Wir berechnen als Effektivwert den Mittelwert:
in Ordnung!
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